Das Elektron und der elektrische Strom

Das Elektron

Die gesamte anorganische wie die organische Materie ist aufgebaut aus Molekülen. Die Moleküle wieder bestehen aus noch einfacheren Bausteinen, den Atomen. Jedes Atom besteht aus einem zentralen Kern, der eine elektrische positive Ladung aufweist, und einer Anzahl kleinster Körper, die negativ geladen sind und die wir die Elektronen nennen. Letztere umkreisen den Zentralkern gleichwie die Planeten die Sonne. Es ist demnach jedes Atom ein Weltsystem im Kleinen, ein Mikrokosmos für sich.
Die negativen Ladungen aller Elektronen zusammen sind genau so groß wie die positive Ladung des Zentralkörpers, so dass sich ihre Wirkungen nach außen hin aufheben und das Atom als Ganzes elektrisch neutral erscheint. Innerhalb des Atoms allerdings ziehen sich Zentralkern und Elektronen als elektrisch entgegengesetzt geladene Massen gegenseitig an. Diese Anziehung aber wird durch die Zentrifugalkraft kompensiert, welche die Elektronen infolge der rasenden Geschwindigkeit entwickeln, mit der sie um den Kern schwingen. So bleibt das System im Gleichgewicht.
Von der Zahl der Elektronen, von ihrer Anordnung um den Kern wird es abhängen, welche chemische Eigenschaft dem Atom zukommen.
Die Größe eines Elektrons ist im Verhältnis zu derjenigen eines Atoms äußerst gering. Auch der Atomkern selbst ist von ähnlich kleinen Dimensionen. Mit Rücksicht auf ihre verschiedene Größe ist der vom Kern und den Elektronen beanspruchte Atomraum selbst in festen Körpern außerordentlich klein, der von Materie nicht erfüllte Raum dagegen im Verhältnis dazu enorm groß.

Der elektrische Strom

Metalle (Leiter I. Ordnung)

Unter Umständen lösen sich aus dem Verband eines Atoms einzelne Elektronen los, fliegen aus ihrer Bahn, um sich nach einiger Zeit der Freiheit wieder anderen Atomsystemen anzuschließen. Man bezeichnet diese Loslösung einzelner Elektronen aus ihren Verbänden als Dissoziation. In manchen Körpern wie in den Metallen ist dieser Vorgang sogar die Regel. In den Metallen findet ein steter Austausch der Elektronen von Atom zu Atom statt. In jedem Moment ist eine Anzahl ungebundener Elektronen vorhanden, die frei zwischen den Atomsystemen schwärmen.
Legen wir an die beiden Enden eines metallischen Leiters die Pole einer Gleichstromquelle an, so wirkt diese elektrische Spannung umgehend auf die dissoziierten Elektronen ein. Da diese frei beweglich sind und eine negative elektrische Ladung besitzen, folgen Sie dem Zuge der elektrischen Kraft, sie beginnen unter ihrem Einfluss zu wandern, und zwar alle in Richtung des positiven Pols.
Die Wanderung der Elektronen im Innern des Leiters ist es, was wir als elektrischen Strom bezeichnen, sie ist der elektrische Strom an sich. Die Elektrizität ist also etwas Greifbares, etwas Materielles, sie ist ein immanenter Teil der Materie, jedes Moleküls, jedes Atoms. Eben sowenig wie wir Materie erschaffen oder vernichten können, eben sowenig können wir die von allem Anbeginn vorhandenen Elektrizitätsmengen vermehren oder vermindern. Wir können sie nur an gewissen Stellen anhäufen, wir können sie in bestimmte Bewegung versetzen und damit jene Erscheinung hervorrufen, die wir als elektrische Ladung oder als elektrischen Strom bezeichnen.

Nichtleiter (Isolatoren)

Dem Einfluss der elektrischen Kraft unterliegen nur jene Elektronen, welche frei beweglich d.h. von ihren Atomen getrennt sind. Dissoziationsfähigkeit und elektrisches Leitvermögen sind somit identische Begriffe.
Der Grade der Dissoziationsfähigkeit hängt von der Natur des betreffenden Körpers ab. In manchen festen Körpern wie in Quarz, Porzellan, Hartgummi und in manchen Flüssigkeiten wie Glycerin und Öl dagegen ist der Atomverband ein so fester, dass auch einzelne Elektronen aus diesen Verbänden nicht trennbar sind. Es kommt daher in solchen Körpern zu keinem Elektronen Transport, weshalb sie Nichtleiter oder Isolatoren genannt werden.

Elektrolytische Leiter (Leiter II. Ordnung)

Zwischen den beiden Gruppen stehen noch die sogenannten Halbleiter. Zu ihnen gehören vor allem die leitenden Flüssigkeiten, insbesondere die wässrigen Lösungen von Salzen, Säuren und Basen. Wir nennen sie auch elektrolytische Leiter oder Leiter II. Ordnung im Gegensatz zu den Metallen, die wir als Leiter I. Ordnung bezeichnen.
Chemisch reines Wasser leitet den Strom nicht, weil seine Moleküle nicht dissoziationsfähig sind. Dagegen hat das Wasser die ebenso interessante wie bedeutsame Eigenschaft, die Moleküle vieler anderer Substanzen, die es in Lösung nimmt, zu dissoziieren. Schon Spuren eines Salzes machen das Wasser für den Strom leitfähig. Da auch das reine Brunnen- oder Quellwasser fast stets geringe Spuren solcher Salze gelöst enthält, leitet es im Allgemeinen den elektrischen Strom.
Nach der Theorie von Arrhenius erklären wir uns diese Tatsache in folgender Weise. Lösen wir etwas Chlornatrium in Wasser auf, so geht ein Teil der Chlornatriummoleküle ungeteilt in Lösung, ein anderer Teil aber wird in Atome gespalten, und zwar in je ein Natrium- und ein Chloratom. Das freie Natriumatom spaltet weiter entsprechend dem guten Dissoziationsvermögen aller Metalle sofort ein negatives Elektron ab und bleibt infolge dieses Verlusts als elektrisch positiver Torso in Lösung. Das auf diese Weise losgetrennte Elektron aber bleibt nicht ein freier und ungebundener Schwärmer, wie dies in den Metallen der Fall ist, sondern büßt seine Freiheit alsbald ein, indem es von einem Chloratom beschlagnahmt wird. Dieses lagert es seinem eigenen Elektronenbestand an und bekommt dadurch einen Überschuss an negativen Elektronen, wodurch es als Ganzes elektrisch negative Eigenschaften annimmt.
Wir haben in einer Kochsalzlösung also einerseits Natriumatome mit einem Defizit von je einem negativen Elektron, die daher elektrisch positiv sind, andererseits Chloratome, die ein Plus an negativer Elektrizität besitzen, daher elektrisch negativ sind, und außerdem noch ungespaltene Chlornatriummoleküle, die sich im Elektronengleichgewicht befinden.
Wirkt eine elektromotorische Kraft auf eine solche Lösung ein, so unterliegen ihrem Einfluss natürlich nur die elektrisch differenten Teilchen. Diese setzen sich unter der Einwirkung der elektrischen Spannung in Bewegung, sie beginnen zu wandern und werden daher auch Ionen genannt. Die positiven Natriumionen wandern gegen den negativen Pol, die Kathode, sie heißen Kationen, die negativen Chlorionen gegen den positiven Pol, die Anode, sie heißen Anionen.
Der elektrische Strom in Flüssigkeiten ist also identisch mit einer Wanderung elektrisch geladener Atome, der Ionen. Eigentlich ist es ein Doppelstrom, eine Kombination von zwei Strömen, die einander entgegenfließen. Im Gegensatz dazu ist der Strom in Metallen ein reiner Elektronenstrom, der entsprechend dem negativen Vorzeichen der Elektronen vom negativen zum positiven Pol fließt, also gerade entgegengesetzt jener Richtung, die wir herkömmlicherweise als die Richtung des Stromes bezeichnen.
Da sich der menschliche Körper wie ein elektrolytischer Leiter verhält, werden wir uns mit der Stromleitung in Flüssigkeiten noch eingehender zu beschäftigen haben.